Thermometern – Wie war das eigentlich mit den ersten Thermometern und den ersten Messungen?

Ein Exkurs mit speziellem Blick auf das „kleine Florentiner“

von Michael Jung

Zweifellos gilt Galilei als einer der ersten Erfinder eines Thermometers, wenngleich er dazu Erkenntnisse der Ausdehnung von Flüssigkeiten bei Wärmezufuhr Archimedes nutzte. Der große Nachteil dieser Messgeräte, sie waren offen und der Einfluss eines sich verändernden Luftdrucks auf die Ausdehnung von Flüssigkeiten noch nicht bekannt.

Doch zwei bedeutende Herren erlernten später in Galileis Werkstätten das Handwerk zur Herstellung von Thermomtern und entwickelten den Bau der feinfühligen Instrumente enorm weiter. Sie konnten sich diese kostspielige, wissenschaftliche Arbeit leisten, denn es waren Ferdinand der II. – Großherzog der Toskana und sein Bruder Leopold aus dem Hause der Medicis, denen wir zahlreiche Entdeckungen in der Mathematik und Physik aber auch unsagbare Kunstschätze zu verdanken haben. Den Medicis und helfend auch Torricelli ist es zu verdanken, dass die ersten vollständig geschlossenen Thermometer hergestellt wurden und in Umlauf kamen. Es waren somit die ersten Thermometer, die unabhängig vom Luftdruck die Temperatur anzeigen konnten und gleichzeitig somit deutlich präzisere Werte lieferten.

Sie bauten ab 1646 (diese Jahreszahl ist nicht ganz verbrieft) an den Thermometern. Die Glasbläser Moriani und Almanni, die zu den besten Zunftmeistern ihrer Zeit zählten, konnten in den Werkstätten der Medicis hauchdünne Kapillare blasen und Emaille schmelzen.

Die Thermometer wurden mit Weingeist gefüllt und anfangs mit rotem Kermet gemischt, um die Skalen besser ablesen zu können Doch der Farbstoff schmierte und so wählte man wieder reinen Weingeist, auch wenn es schwieriger abzulesen war. Die Skaleneinteilung des 15cm großen Thermometers, das unten kugelförmig war, erfolgte in 50 Graden. Anfangs schwarze Emaillekugeln, für die bessere Ablesbarkeit aber jede Zehnte weiß. Später wurde dann blaue Emaille verwendet.

Fatal, von definiertem Siede- und Gefrierpunkt war noch nichts bekannt. Und so wurde einfach angenommen, dass die kälteste Möglichkeit eine Mischung aus Eis und Meersalz ist. Das entpricht etwa -21 Grad und wurde der Nullpunkt (unten). Die wärmste Temperatur wurde als Tierblut angenommen und entsprach 39 Grad, also etwas gerundet 40 Grad. Die Skala wurde dann weiter nach oben um zusätzliche zehn Punkte erweitert. In der Umrechnung heute kann man etwa 1 Gk mit knapp 1.5 Grad Celsius vergleichen, jedoch gab es teilweise nach unten große Abweichungen, weil die Kältemischungen nicht immer gleich waren. Die Maßeinheit Gk kommt der Ehrung Galileis („G“) zu Gute und das „k“ steht für das „kleine Florentiner“.

Bedeutsam war, dass nun mehrere dieser Thermometer an einem Ort mit einer Skaleneinteilung gebaut wurden und an 11 verschiedene Städte (davon sieben in Italien) verteilt wurden. Mit dabei waren neben den italienischen Städten Florenz als Zentrum und dem Kloster Vallombrosa (1000 Meter Höhe) die europäischen Städte Warschau, Paris, Innsbruck und Osnabrück. Häufig wurden Klöster ausgesucht, aber auch Forschungs- und Experimentiereinrichtungen.

Das Revolutionäre bestand nun darin, dass an allen Orten mindestens zwei Mal am Tag, in Italien alle 3-4 Stunden, jeweils zwei Thermometer eines in südlicher und eines in nördliche Richtung hängend, vergleichbare Werte erzielt wurden. Die Abenddämmerung galt in den Klöstern als nullte Stunde. Da aber permanente Verschiebungen von Sonnenauf- und Untergang stattfand, waren Mitternacht und Mittag immer zu anderen Zeiten. Das wurde dann aufwendig später umgerechnet und angepasst. Zusätzlich wurden aber neben der Temperatur auch Wettererscheinungen mit erfasst, wie Regen, Wind, Sturm, Hagel, extreme Sonne.

Wir datieren exakt den Aufzeichnungsbeginn mit dem 15.12.1654 und die Messreihe endet im Jahre 1670. Es handelt sich somit um die älteste Messreihe von Temperaturen in der Welt mit vergleichbaren Skalen. Zwischen Florenz und Vallombrosa ritten sogar täglich ein Reiterbote hin und her, um die aktuellen Werte auszutauschen. International ist aber schon kurz nach 1667 Schluss. Die Messreihen wurden veröffentlicht über die Accademia del Cimento in Florenz, dessen Leiter der Großherzog Ferdinand war.

Die Veröffentlichung war der Kirche, die seit Galilei eh ein Problem mit den Wissenschaften hatte, ein riesen Dorn im Auge. Zu mächtig und reich aber waren die Medicis, dass man es hätte früher verbieten können. So kam es zu einem traurigen Deal, der durchaus auch angelehnt in heutigen Tagen Bezüge finden könnte. Der Papst bietet dem Bruder Leopold einen Kardinalsposten an, den er nur bekommt, wenn Ferdinand seine Reihen und die Veröffentlichungen beendet. Raten Sie mal, was dann passierte…

Dennoch wurden in den beiden Orten Florenz und Vallombrosa die Messreihen bis 1670 auf intensives Drängen von Ferdinand (ohne Veröffentlichungen) fortgeführt und endeten abrupt, welch ein Wunder, mit seinem Tod 1670.

In den Folgejahren wurde die Thermometerherstellung permanent geändert und perfektioniert. Und so tauchen Namen wie Torricelli, Fahrenheit (Quecksilber) und Celsius mit neuen Materialien und Erkenntnissen auf. Experimentiert wurde mit allem was ging, wie Gasdruck, Metallausdehnungsmaterialien, meist aber doch mit Flüssigkeiten. Auch hier gab es skurile Versuche mit Rotwein, verdünnter und konzentrierter Salpertersäure, Leinsamenöl (Isaac Newton), reiner Alkohol. Viele bekannte und unbekannte Forscher und Gelehrte schrieben das Buch der Thermometer weiter, was auch zur Folge hatte, dass verschiedenste und schwer zu vergleichende Skalen entstanden.

Herausragend und genannt werden soll aber in diesem Zusammenhang Anders Celsius aus Schweden. Er definiert als erster Wissenschaftler den Schmelzpunkt des Eises und auch den Siedepunkt des Wassers auf seiner 100teiligen Skala, die zunächst „Schwedische Skala“, dann „Centigrade-Skala“ und jetzt in der uns bekannten „Celsius-Skala“ mündete. 1902 löste in Deutschland dann diese Skala die vorher meist verwendete Rèamur-Skale ab. 1948 wurde die Celsius-Skale als offizielle Einheit – SI-Einheit – international festgelegt.

Die Ablesung einer Temperatur auf einem analogen Thermometer, sei es aus Alkohol (rot, blau, weiß) oder aus Quecksilber war und ist immer auch eine Ehrerweisung an die guten alten Wissenschaftler und bietet definitiv mehr Freude als das Ablesen von heutigen digitalen Anzeigegeräte. Für Wetterfans ist ein analoges Thermometer einfach ein Muss und man hat daran definitiv auch länger Freude als an „Diggis“.

Quellen:

  • „Thermometer, Skalen und deren Väter“ R. Holland und G. Stöhr 2013
  • „Zeitzeichen“ Anne Preger WDR 2019
  • Bilder: Privat Michael Jung
Die „Freunde alter Wetterinstrumente“ ließen  50 „kleine Florentiner“ Thermometer nachbauen. Sie wurden in feinster Handarbeit von einem Meister in den Lauscher Glaswerken mundgeblasen und die Emaillekugeln in Handarbeit aufgetragen. Allein das Blasen der hauchdünnen Kapillare ist eine Meisterleistung, die heute nur noch wenige Glasbläser beherrschen. Das Thermometer ist wie sein Urvater mit klarem Weingeist gefüllt und alle 10 Skalenpunkte eine weiße Kugel gesetzt. Unterschied, es wurde auf die Skale Grad Celsius geeicht und der Gefrierpunkt, der damals noch nicht bekannt war, mit einem roten Strich gesetzt. Dieses Thermometer wurde an Mitglieder der „Freunde alter Wetterinstrumente“ in der ganzen Welt verteilt und sind eine absolute Rarität. Wenn Sie einmal in Florenz zu Besuch sein sollten, gehen Sie unbedingt ins „Museo Galileo“. Dort finden Sie eines der noch beiden Urväter. Foto: Michael Jung

2011 wurden anläßlich des zehnjährigen Bestehens der „Freunde alter Wetterinstrumente“ zu Ehren der wichtigsten Thermometergestalter und Namensgeber von Skalen des 18. Jahrhunderts in einer Auflage von 25 Stück dieses „Nurglas-Thermometer“ gefertigt. Das Besondere ist die verschiebbare Glasröhre, so dass eine Umrechnung nicht erfolgen muss. (Größe 18x15cm – Nr. 13 der Serie) Verewigt sind hier Kelvin (Irland), Celsius (Schweden), Fahrenheit (Polen), Rankine (Schottland), Delisle (Frankreich), Rømer (Dänemark), Florente Magnum (kleines Florentiner-Italien). Foto: Michael Jung